Überblick Schwerbehinderung
Schwerbehinderung
Man kann bei der Versorgungsverwaltung (hier Rhein-Erft-Kreis) das
Vorliegen einer Behinderung durch Bescheid feststellen lassen. Ein
entsprechender Bescheid wird erteilt, wenn der sog. Grad der
Behinderung (GdB) mindestens 20 beträgt. Ab einem festgestellten GdB
von 50 gilt man als schwerbehindert, woraus sich zusätzlich zu den
allgemeinen Rechten behinderter Menschen (insbesondere im Bereich der
Rehabilitation) besondere Rechte ergeben (z.B. früherer Eintritt in die
Altersrente, 5 Tage mehr Urlaub für Arbeitnehmer, erhöhter
Kündigungsschutz durch das Erfordernis einer vorherigen Zustimmung zur
Kündigung des Arbeitsgebers durch das Integrationsamt).
Entscheidend kommt es letztlich auf den durch die Versorgungsverwaltung
festgestellten GdB an.
Zunächst muss ein Antrag gestellt werden. Dafür hält die
Versorgungsverwaltung entsprechende Formulare bereit. In NRW besteht
zusätzlich die Möglichkeit, den Antrag online zu stellen. Die
Bezirksregierung Münster hat ein enstprechendes Formular ins Netz
gestellt.
Die Versorgungsverwaltung hat auf den Antrag hin den GdB festzustellen.
Wie dieser GdB festzustellen ist, ergibt sich im Wesentlichen aus der
Anlage zur Versorgungsmedizinverordnung. Darin sind die häufigsten
Krankheiten aufgeführt und hierfür entsprechende GdB-Werte angegeben.
Die genannte Anlage in tabellarischer Form kann unter dem Punkt
GdB-Ermittlung eingesehen werden. Es bestehen eine umfangreiche
Suchfunktion soowie die Möglichkeit Notizen zu verfassen.
Das häufigste Ziel unserer Mitglieder im Rahmen eines Antragsverfahrens ist die Feststellung einer
Schwerbehinderung, also eines GdB von wenigstens 50. Wichtig ist, dass
eine Schwerbehinderung nicht das Vorliegen einer besonders schweren
Behinderung (Beinamputation, Krebserkrankungen usw.) voraussetzt,
sondern auch bei einer Mehrzahl verschiedener nicht so gravierender
Behinderungen anerkannt werden kann.
Es ist in diesem Fall ein sog. Gesamt-GdB zu bilden. Es gibt
allerdings keine feste Regel, nach welchen Kriterien dies zu geschehen
hat. Als grobe Faustformel gilt folgendes:
- Auszugehen
ist zunächst von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB.
- Weitere
Behinderungen Behinderungen mit einem GdB von 10 werden bei der
Feststellung des Gesamt-GdB grundsätzlich nicht berücksichtigt
- Laut
Versorgungsmedizinverordnung sollen auch Behinderungen mit einem GdB
von 20 grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Diese Feststellung
entbehrt jedoch jeder wissenschaftlichen Begründung. Es kommt immer auf den Einzelfall an.
- Für die
Feststellung einer Schwerbehinderung sollte mindestens eine Behinderung
mit einem GdB von wenigstens 30 vorhanden sein.
- Alle
weiteren Behinderungen ab einem GdB von 20 sind mit dem halben Wert zu
berücksichtigen, wobei immer glatte Zehnerwerte in die Bildung des
Gesamt-GdB einzufließen haben. Das bedeutet, dass bei weiteren
Behinderungen mit einem Einzel-GdB von beispielsweise 30 entweder ein
Wert von zehn oder 20, nicht etwa 15 hinzuzurechnen ist.
Beispiel:
Wirbelsäulenschaden mit schweren Auswirkungen in einem
Wirbelsäulenabschnitt, GdB 30
Schlafapnoesyndrom, GdB 20
Bewegungseinschränkungen im Bereich eines Schultergelenkes, GdB 20
In diesem Fall würde der Wirbelsäulenschaden voll und die beiden
weiteren Behinderungen mit zusätzlich jeweils 10 Punkten
berücksichtigt, sodass insgesamt ein GdB von 50 festzustellen wäre.
Nun orientiert sich die Versorgungsverwaltung natürlich nicht an
unserer Einschätzung, sondern holt eine sog. gutachtliche
Stellungnahme ein. Diese beschränkt sich allerdings in der Regel auf
das Ausfüllen eines Formulars durch einen beauftragten Arzt. In diesem Formular werden die einzelnen Behinderungen mit
den entsprechenden GdB aufgeführt und zum Schluss ein Gesamt-GdB
angegeben.
Die Erfahrung zeigt, dass man Antragsteller gerade in vorbeschriebenen
Beispielskonstellationen (30-20-20) bei einem GdB von 40 „verhungern“ lässt.
In solchen Fällen raten wir dringend zur Einlegung eines Widerspruchs.
Dieser muss innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zugang des
Bescheides bei der Versorgungsverwaltung eingegangen sein. Da in der
Regel Bescheide – allein schon aus Kostengründen – nicht mit
Postzustellungsurkunde übersandt werden, lässt sich der genaue Zugang
nicht nachweisen. Nach dem Gesetz gilt ein Bescheid drei Tage nach dem
Datum des Bescheides als zugestellt, es sei denn der Adressat des
Bescheides bestreitet, dass ihm überhaupt ein Bescheid zugegangen ist.
Dann muss der Bescheid erneut zugestellt werden und die und die
Widerspruchsfrist beginnt erst von da an zu laufen.
Die Versorgungsverwaltung prüft, ob es den Widerspruch „abhilft“.
Hierfür fordert sie vom Antragsteller zunächst eine
Widerspruchsbegründung an. Auf Grundlage der Argumentation in der
Widerspruchsbegründung erfolgt entweder ein Abhilfebescheid, mit dem
ein höherer GdB festgestellt wird, oder falls der Begründung nicht
gefolgt wird, wird der Widerspruch an die Widerspruchsbehörde (bei uns
die Bezirksregierung Münster) abgegeben zur weiteren Entscheidung.
Diese erlässt dann in der Regel einen ablehnenden Widerspruchsbescheid.
In Ausnahmefällen fordert die Widerspruchsbehörde die Behörde, die den
Bescheid erteilt hat, zur erneuten Prüfung auf.. Dies gilt insbesondere
dann, wenn nach Auffassung der Widerspruchsbehörde die Rechtslage
falsch beurteilt wurde oder aber noch weitere Ermittlungen erforderlich
sind.
Nach einem Abhilfebescheid, der nicht den verfolgten GdB feststellt,
oder nach einem ablehnenden Widerspruchsbescheid besteht die
Möglichkeit einer Klage vor dem Sozialgericht (hier Sozialgericht
Köln). Hierfür gilt wiederum eine Frist von einem Monat sowie das zur
Fristwahrung oben Gesagte.
Das Gericht fordert zunächst eine Schweigepflichtentbindungserklärung
sowie formularmäßige Angaben zu den bisher erfolgten ärztlichen
Behandlungen, Krankenhausaufenthalten, Aufenthalten in
Rehaeinrichtungen usw. an, um entsprechende Befundbericht anzufordern.
Gleichzeitig wird eine Klagebegründung erwartet, ohne die das Gericht
dem Verfahren grundsätzlich keinen Fortgang gibt.
Auf Grundlage der Klagebegründung und der eingeholten Befundberichte
holt das Gericht in aller Regel ein oder mehrere ärztliche
Sachverständigengutachten ein.
Der Gutachter setzt sich mit dem Kläger in Verbindung, um ein
Untersuchungstermin zu vereinbaren.
Wenn dem Gericht das oder die Gutachten vorliegen, erfolgt die
Weiterleitung an den Kläger, verbunden mit der Aufforderung zur
Stellungnahme. Ist die gutachterliche Einschätzung negativ für den
Kläger fragt das Gericht nach, ob die Klage zurückgenommen wird. Ist
die Einschätzung hingegen positiv, machte das Gericht ab, ob ein
Anerkenntnis durch die Gegenseite erfolgt. In beiden Fällen wäre das
Verfahren dann beendet.
Der Kläger hat aber auch die Möglichkeit, bei negativem Ausgang der
bisherigen Begutachtung die Einholung eines weiteren Gutachtens von
einem durch ihm benannten Gutachter zu verlangen. Allerdings muss er
die Kosten hierfür selbst tragen (Kosten im Regelfall zwischen
1000-1500 € pro Gutachten). Ob man die Kosten hierfür übernimmt sollte
man sich genau überlegen, weil selbst bei einem positiven Gutachten
nicht gewährleistet ist, dass das Gericht auch diesem Gutachten folgt.
Es ist in seiner Entscheidung frei, welchem Gutachter ist folgt, und
das ist in der Regel häufig der Erstgutachter.
Ein Kostenrisiko hat allerdings nicht, wenn dieses durch eine
entsprechende Rechtsschutzversicherung abgedeckt ist. Diese muss dann
die Gutachten Kosten übernehmen. Es ist aber zu beachten, dass
Rechtsschutzversicherungen in Anbetracht der hohen Kosten dazu neigen,
den Versicherungsvertrag zu kündigen. Das bedeutet, dass man für
zukünftige Rechtsfälle nicht mehr abgesichert ist. Möglicherweise
bahnen sich Rechtsstreitigkeiten in anderen Bereichen an, für die eine
Absicherung durch eine Rechtsschutzversicherung wichtiger ist. Die
sollte man vor einem Antrag auf Einholung eines weiteren
Sachverständigengutachtens genau bedenken.
Wird das Verfahren weder durch ein Anerkenntnis seitens der
Versorgungsverwaltung noch eine Rücknahme durch den Kläger beendet,
kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, die gesetzlich vorgeschrieben
ist. Erst aufgrund dieser mündlichen Verhandlung dass das Gericht seine
Entscheidung fällen.
Erfahrungsgemäß ist es aber so, dass das Ergebnis schon von vornherein
feststeht, meist aufgrund einer für den Kläger negativen Gutachtenlage.
Ist die Begutachtung für den Kläger positiv ausgegangen, erfolgt in
nahezu allen Fällen ein entsprechendes Anerkenntnis durch die
Versorgungsverwaltung, sodass es gar nicht erst seiner München
Verhandlung kommt.
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